Herzlich willkommen zur zweiten Ausgabe von „Zahl des Monats“. Diesen Monat beschäftigt sich der Beitrag mit dem LKW-Verkehr in Deutschland. Genauer mit dem LKW-Maut-Fahrleistungsindex den das Bundesamt für Güterverkehr, die Bundesbank und das Statistische Bundesamt aus den Prozessdaten der Erhebung der LKW-Maut bilden und bereitstellen. Visualisieren werden wir die Daten dieses Indikators mit verschiedenen Varianten von Linecharts. Die Informationen auf Monatsbasis sind erst als Slopegraph (erste Abbildung) dargestellt und die lange Zeitreihe der Veränderungen (zweite Abbildung) sowie die tagesgenauen Informationen als klassische Liniendiagramme mit ergänzenden Textelementen. Zu diesem Beitrag werden für alle drei Abbildungen die R-Codes im Tutorial hinterlegt.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen, (Selbst-)analysieren und (Selbst-) visualisieren.
Ihr Innside Statistics Team
Datenquelle: Die Zahlen für die folgende Analyse sind dem Online-Angebot des Statistischen Bundesamtes entnommen. Die Daten zu den Monatswerten finden Sie in Tabelle 42191-0001 in der Datenbank des Statistischen Bundesamtes (Link zu den Daten) und die Daten zur Sonderserie mit den täglichen Auswertungen finden Sie hier (Link zu den Daten). In diesem Beitrag wird in allen drei Abbildungen die kalender- und saisonbereinigte (X13 JDemetra+) Zeitreihe genutzt.
LKW-Maut-Fahrleistungsindex
Im Jahr 2005 wurde in Deutschland eine LKW-Maut für die Nutzung der Autobahnen eingeführt und in den folgenden Jahren schrittweise auf die Bundesstrassen ausgeweitet. Die Erfassung der notwendigen Daten zum Fahraufkommen erfolgt dabei weitgehend automatisiert über GPS sowie Mobilfunk. Aus den hierbei entstehenden Prozessdaten hat das Statistische Bundesamt in Zusammenarbeit mit der Bundesbank und dem Bundesamt für den Güterverkehr einen Indikator entwickelt, der Auskunft über die Entwicklung des LKW-Fahraufkommens gibt. Dieser Indikator zählt zur Gruppe der Konjunkturindikatoren und wird sowohl in Form der Rohdaten als auch als kalender- und/oder saisaonbereinigte Zeitreihe zur Verfügung gestellt. Die Idee hinter diesem Indikator ist, vereinfacht zusammengefasst, dass höhere wirtschaftliche Aktivität, also eine starke Konjunktur, auch zu einem höheren LKW-Fahraufkommen führt und umgekehrt ein Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität mit einem Rückgang des LKW-Verkehrs verbunden ist.
Die Veröffentlichung der Monatszahlen für den Index erfolgt aktuell mit einem Zeitversatz von etwa 9 Tagen. Der Indikator steht also bereits sehr zeitnah zur Verfügung. Details zur Berechnung und zur Eignung als Konjunkturindikator sind in Cox et al. 2018 (Link zum Artikel) beschrieben.
Entwicklung in den ersten drei Monaten 2020
In der ersten Abbildung ist die Entwicklung des Fahrleistungsindex für die ersten drei Monate in 2020 dargestellt (blaue Linie). Als Referenz ist die Entwicklung der Jahre 2018 und 2019 mit angegeben (graue Linien). Basisjahr des Index ist 2015 (=100) und es sind die um Kalender- und Saisoneffekte bereinigten Zahlen dargestellt.
Im Januar 2020, also vor der Krise, liegt der Index für 2020 mit 113.5 Indexpunkten zwischen den Januarwerten der Jahre 2018 und 2019. Im Februar steigt der Index dann – im Gegensatz zu den beiden Referenzjahren – auf 116 Basispunkte an. Im März 2020 jedoch sinkt der Index dann um 6.8 Indexpunkte ab auf einen Wert von 109.2 Punkten. Das entspricht einem Rückgang von 5.9% gegenüber dem Vormonat.
Dieser Verlauf legt einen deutlichen Rückgang der LKW-Fahrleistungen auf deutschen Autobahnen bereits im März 2020 nahe. Das ist bemerkenswert, da die meisten wirtschaftlichen Restriktionen erst in der zweiten Märzhälfte eingeführt wurden.
Stellt dieser Rückgang nun eine außergewöhnliche Bewegung des Index dar oder liegt diese im normalen Schwankungsbereich des Indikators? Dazu bietet sich ein Blick auf die lange Zeitreihe an. In der nächsten Abbildung sind die prozentualen Veränderungen zum jeweiligen Vormonat seit Beginn 2005 dargestellt. Es wird deutlich, dass der Ausschlag um 5.9% nach unten den stärkste Rückgang seit Bestehen des Index darstellt. Der bisherige Spitzenwert war ein Rückgang um 4,3 % während der Finanzkrise im Januar 2009.
Interpretiert man den LKW-Maut-Fahrleistungsindikator nun als Konjunktur-Frühindikator ist also eine substanziell negative konjunkturelle Entwicklung bereits für den März 2020 zu erwarten.
Tagesgenaue Entwicklung
Aufgrund des hohen öffentlichen Interesses an den Folgen der Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens durch die Covid-19-Pandemie veröffentlicht das Statistische Bundesamt den LKW-Fahrleistungsindex bis zum 31.05.2020 auch auf täglicher Basis und aktualisiert diese Zeitreihe werktäglich. In der dritten Abbildung wird diese disaggregierte Zeitreihe genutzt und die Entwicklung des Index für den Zeitraum 01. Februar – 25. April (aktueller Rand) für die Jahre 2019 und 2020 tagesgenau dargestellt.
Es wird deutlich, dass der Indikator am aktuellen Rand für 2020 deutlich unter den Zahlen für 2019 liegt. Die Lücke öffnet sich dabei bereits vor dem 23. März 2020, also bereits etwas vor der Einführung der bundesweiten Kontaktsperren. Die Abbildung zeigt jedoch auch, dass der Index für den April sehr volatil ist. Möglicherweise sind in den tagesgenauen Daten, speziell am aktuellen Rand, noch nicht alle Mautdaten vollständig erfasst. Ebenso könnte die weitgehende Lockerung des Sonntagsfahrverbots die Kalender- und Saisonbereinigung beeinflusssen. Betrachtet man die Daten, liegen viele der verzeichneten Spitzen auf Sonntagen und Feiertagen. Der generelle Trend eines Rückgangs des Indikators wird jedoch dadurch nicht beeinflusst (Anmerkung: Betrachtet man die nicht saison- und kalenderbereinigten Rohdaten, hier nicht dargestellt, aber in den oben angegebenen Tabellen enthalten, ist der Rückgang ebenso zu sehen).
Fazit
Die Daten der tagesgenauen Zeitreihe bestätigen den negativen Trend in den Monatszahlen und lassen ebenfalls eine substanziell negative Konjunkturentwicklung erwarten. Es bleibt spannend zu sehen, wie sich dieser innovative, sehr zeitnah zur Verfügung stehende, Indikator in den nächsten Wochen weiter entwickelt und ob es im Zuge der schrittweisen Lockerung der Einschränkungen auch zu einem Anstieg im LKW-Maut-Fahrleistungsindex kommen wird.